Thomas Larcher: IXXU
Thomas Larcher: IXXU, My Illness Is The Medicine I Need, Mumien, Cold Farmer
Rosamunde Quartett, Andrea Lauren Brown (Sopran), Christoph Poppen (Violine), Thomas Demenga (Violoncello), Thomas Larcher (Klavier)
© ECM 2006
Auszeichnungen
Preis der deutschen Schallplattenkritik, Bestenliste 4/2006
Neue Zeitschrift für Musik, Empfehlung
Werke
IXXU für Streichquartett (1998–2004)
flüchtig, nervös
sehr schnell, präzise
ruhig
My Illness Is the Medicine I Need für Sopran, Violine, Violoncello und Klavier (2002)
My illness is the medicine I need.
I think I’ll stay here until I die, I’m tired of life. I don’t like freedom. The world frightens me.
Eat and sleep. Eat and slep. The monotony here kills you.
I like it when people ask me the time. It’s almost a conversation.
I don’t know why I’m here. I’ve no idea. I think people are brought here to be killed. I’m scared to death. Death will come to me covering all my body. And I will be silent forever.
Once they give you an injection you instantly stop hearing voices.
Mumien für Violoncello und Klavier (2001)
tempo giusto
schneller
langsam
Cold Farmer für Streichquartett (1990)
mit Groove
ruhige Halbe
sehr schnell
ganz langsam
Naunz, die 2001 veröffentlichte erste ECM-Aufnahme mit Kompositionen Thomas Larchers (ECM New Series 1747), umfasste die Schaffensperiode von 1986 bis 1999, wobei Solostücke für Klavier im Mittelpunkt standen. Ixxu eröffnet nun einen Überblick über die kammermusikalische Produktion von 1990 und 2004. Den Rahmen des Programms bilden die beiden Quartette Ixxu und Cold Farmer in der Interpretation des Rosamunde Quartetts. Die junge amerikanische Sopranistin Andrea Lauren Brown gibt mit My Illness Is The Medicine I Need ihr ECM-Debüt. Christoph Poppen tritt zum ersten Mal seit seiner Zusammenarbeit mit dem Hilliard Ensemble auf der Bach-Platte Morimur wieder als Geiger in Erscheinung. Und Thomas Demenga, Larchers langjähriger musikalischer Weggefährte, spielt, zusammen mit dem Komponisten selbst am Klavier, das Stück Mumien. Dass alle vier hier in Ersteinspielung vorliegenden Werke mit tradierten, ja „klassischen“ Besetzungen arbeiten, hat auch mit den engen Kontakten des nach wie vor aktiven Konzertpianisten zu zahlreichen seiner Kollegen zu tun: Die Stücke wurden sämtlich bei Larcher von befreundeten Musikern für konkrete Aufführungsgelegenheiten in Auftrag gegeben.
„Ich schreibe nicht für Spezialensembles, sondern für ‚klassische’ Musiker, die gerne stark gefordert werden, gleichzeitig aber ein Misstrauen hegen gegen die inflationäre Verwendung ungewöhnlicher Spieltechniken und Klangeffekte“, sagt Thomas Larcher. Sein Ansatz besteht eher darin, eine vergleichsweise konventionelle Virtuosität ins Obsessive zu steigern und somit die Dosierung und Intensität der expressiven Energien noch einmal zu erhöhen. Andreas Reiner, Primarius des Rosamunde Quartetts, spricht von „haarsträubenden Schwierigkeiten“, von „extremen individuellen und kollektiven Anforderungen“, die jedoch immer einhergingen mit der „hohen Qualität“ der Musik. Diese verlangt den Interpreten ein Äußerstes an Präzision und physischer Hingabe ab, für Hörer wie Musiker ist sie jedoch immer höchst eindringlich: physisch und direkt, motorisch aufgeladen, klar gegliedert, transparent im Klang und durchdrungen von tiefer Emotionalität.
Der Bezug zu traditionellen Formaten ist jedoch auch auf die musikalische Sozialisation des eminenten Pianisten Thomas Larcher zurückzuführen: „Meine Wurzeln liegen im Interpretatorischen und in der jahrzehntelangen Prägung durch die Werke und das Formdenken der Klassik. Als Komponist kann ich eigentlich immer nur da ansetzen, wo bereits etwas war. Meine Musik ist kommunikativ: Sie fordert den aufmerksamen Hörer, aber sie soll im Konzert unmittelbar nachvollziehbar sein. Daher rührt das Timing dieser Stücke, ihre Dramaturgie und ihr Aufbau. Ich möchte aus tradierten Bausteinen ein sowohl neuartiges und originelles als auch möglichst klares Haus bauen. Dabei versuche ich die Elemente so anzuordnen und zu übersteigern, dass vollkommen neue Ausdruckswerte entstehen.“
Als Veranstalter des Festivals „Klangspuren“ in Schwaz/Tirol hat Larcher über Jahre seinen Komponistenkollegen ein Forum geboten. Erst in den vergangenen Jahren hat seine eigene Produktivität ihren entscheidenden Schub bekommen. Der international tätige Interpret, der auch mit seinen erhellenden Programmzusammenstellungen Anerkennung gefunden hat (vgl. das Schubert/Schönberg-Recital ECM New Series 1667), schränkt seine Solistenaktivitäten zunehmend ein, um sich den immer zahlreicher werdenden Kompositionsaufträgen widmen zu können. In der jüngeren Vergangenheit entstanden ein Klavierkonzert für das Klavierfestival Ruhr und das Cellokonzert „Hier, heute“ für das Luzerner Sinfonieorchester unter Leitung von Jonathan Nott. Als Composer in Residence stellte Larcher sein Schaffen bei Festivals in Davos, Heimbach oder im norwegischen Risør vor.
Politik und Alltagskultur wirken als Quelle der Inspiration unmittelbar in Larchers Komponieren hinein. Schon auf dem Vorgängeralbum zu Ixxu war dies zu erkennen. Vier Seiten für Cello solo reflektierte den Unfalltod des Formel-Eins-Piloten Ayrton Senna und dessen mediale Aufbereitung mittels extremer Zeitlupe. My Illness Is the Medicine I Need geht nun auf Äußerungen von Psychiatriepatienten zurück, die in dem Benetton-Magazin „Colors“ abgedruckt waren. „Ich habe die weniger expliziten Sätze herausgesucht, Sätze, die sich jeder von uns in irgendeiner Form schon einmal gedacht haben mag“, sagt Larcher. „Mit Lyrik tue ich mich zumeist ziemlich schwer. Je kunstvoller und makelloser die Verse sind, desto weniger Raum bleibt für die Musik. Doch hier wirken die Texte wie ein Magnet, sie richten die Musik gleichsam aus.“
Steven Lake, quotet in www.ecmrecords.com