Böhmen liegt am Meer – Enigma für Bariton, Klarinette, Violine, Violoncello und Klavier (2008/09)
Text: Ingeborg Bachmann
Auftragswerk der Kölner Philharmonie
UA: 14.09.2008, Köln (DE) | Matthias Goerne (Bariton), Viviane Hagner (Violine), Matthew Barley (Violoncello), Martin Fröst (Klarinette), Thomas Larcher (Klavier)
Programmnotiz
Dieses Gedicht, das eine Metapher aus Shakespeares „Wintermärchen“ als Titel trägt, ist von Ingeborg Bachmann immer als ein Glücksfall ihrer Lyrik empfunden worden. Sprach sie über dieses Gedicht, erschien es ihr wie ein „Geschenk“, als hätte sie selber nichts zu seiner Entstehung beigetragen und könnte es deshalb nicht für sich „beanspruchen“ – „ich glaube nicht einmal, dass ich es geschrieben habe, ich kann es manchmal nicht glauben“. Am liebsten würde sie ihren „Namen wegnehmen und darunter schreiben ,Dichter unbekannt‘ (Nachlass, Bl.Nr.2356)“ (aus: „Ingeborg Bachmann: Letzte, unveröffentlichte Gedichte, Edition und Kommentar von Hans Höller, Suhrkamp).
Es ist aber noch mehr, es ist das „Gedicht, zu dem ich immer stehen werde“, und es ist ein zentrales Werk ihrer späten Jahre, in dem sich ihre größere Hoffnung, ihre Utopie, exemplarisch fokussiert.
Diese Utopie ist aber eine gefährdete, eine Utopie auf dünnem Eis, eine die in großem Kontrast zu ihrem eigenen Leben stand. Man ahnt die Katastrophe und die existentielle Not hinter jedem Wort.
Es ging mir nicht darum, diese Utopie zu „zerstören, zu entlarven“, sondern durch „instrumentale Nadelstiche und Eisfelder“ den Hintergrund zu erforschen. Die Klangerfahrung eines „schrecklichen C-Dur“ ist in diesem Werk der Angelpunkt, der Punkt, an dem die Utopie kippt, von gleißendem Weiß in die Dunkelheit.
Thomas Larcher